Prof. Dr. Sabine Fries ist die erste gehörlose Professorin deutschlandweit. Seit fünf Jahren unterrichtet sie Gebärdensprachdolmetschen an der Hochschule Landshut. Fries studierte in Berlin Theologie und promovierte 2019 an der Universität Bielefeld. Bevor sie nach Landshut kam, arbeitete sie als Lehrerin an Schulen für Gehörlose und Hörgeschädigte. Zuletzt war sie als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. Für ihr Engagement wurde sie 2018 mit dem Kulturpreis der 6. Deutschen Kulturtage der Gehörlosen geehrt.
Mit den Händen formt sie Sätze, mit ihrer Mimik drückt sie Gefühle aus. Wenn Sabine Fries in der Gebärdensprache spricht, zeigt sie vollen Körpereinsatz. Dabei kann sie sich durchaus laut in Worte fassen und ist auch für Hörende sehr gut zu ver stehen. Vor fünf Jahren begann sie, an der Hochschule Landshut Gebärdensprachdolmetschen zu unterrichten – als erste gehörlose Professorin in ganz Deutschland. Dazu gehört Mut. Den schöpft sie vor allem aus ihrer guten Ausbildung. Im nieder sächsischen Wolfenbüttel geboren, wuchs sie in einer gehörlosen Familie auf. Sie lernte Lippenlesen und die Lautsprache gleichermaßen ein immenser Vorteil.
Später besuchte sie das Gymnasium und studierte Theologie. „Ich habe eine sehr gute Schulbildung erhalten, was Gehörlosen meist verwehrt bleibt“, sagt die Theologin und dreifache Mutter. „Das größte Problem für Gehörlose ist, einen Arbeitsplatz zu finden, der den eigenen Fähigkeiten entspricht“, sagt sie. Sabine Fries möchte etwas verändern, gehörlosen Mitmenschen mehr Gehör verschaffen. In ihrer Doktorarbeit widmete sie sich dem in der Gesellschaft kaum beachteten und unbequemen Thema Gewalterfahrungen gehörloser Frauen. Für ihr Engagement für die „Deaf Community“ erhielt sie 2018 den Kulturpreis der 6. Deutschen Kulturtage der Gehörlosen.
Den Nachwuchs unterstützen
An der Hochschule Landshut bildet Fries Gebärdensprachdolmetscher*innen aus – und will damit helfen, dem Mangel an qualifizierten Fachkräften in diesem Bereich Abhilfe zu schaffen. In Bayern werden Gebärdensprächs-dolmetscher*innen händeringend gesucht – sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft. Der Hauptbedarf besteht, so Fries, im sogenannten „Community-Setting“, also: bei Arztbesuchen, Behördengängen, im Krankenhaus, bei Elternabenden und vielem mehr. „Der Beruf ist sehr vielfältig – man erhält Einblick in verschiedenste Lebensbereiche.“ Eine Gebärdensprache zu lernen sei, so Fries weiter, ebenso herausfordernd wie eine Fremdsprache. Die Dolmetscherinnen und Dolmetscher müssen sich kontinuierlich weiterbilden, neue Wörter und Fachausdrücke lernen. Den Nachwuchs zu unterstützen ist der Professorin daher ein großes Anliegen.
Um den Alltag von Gehörlosen zu erleichtern, wird ihrer Meinung nach vor allem ein verstärkt kommunikativbarrierefreies Umfeld benötigt, also mehr optische Signale. Es gibt viele Situationen, bei denen Gehörlose nicht mit bedacht werden. Ein Feueralarm ist zum Beispiel ein rein akustisches Signal. Oder ein steckengebliebener Aufzug: Gehörlose können im Notfall nicht über eine Sprechanlage kommunizieren. In der Forschung wird bereits an praktikablen Lösungen für Menschen mit Handicap gearbeitet. So dürfen laut EU-Verordnung autonom fahrende Autos nicht mehr geräuschlos unterwegs sein, damit auch blinde Menschen sie hören können; die Sensoren selbstfahrender Shuttlebusse etwa müssen das Verhalten von gehörlosen Personen mit Gehstock am Straßenrand richtig interpretieren können. Für Fries sind das Schritte in die richtige Richtung. Dennoch: Die einfachen Dinge des Lebens wie ein kurzer Smalltalk im Treppenhaus oder ein Konzertbesuch bleiben den Gehörlosen oft verschlossen. „In der Welt der Hörenden ist man mehr oder weniger isoliert.“
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