Tür an Tür mit der Tagesmutter

13.08.2021|Forschungsnews

Die Hochschule Landshut begleitet das Millionen-Projekt home and care der Stadt Landshut und erforscht die Grundlagen für die nachhaltige Sicherung der sozialen und finanziellen Stabilität von Alleinerziehenden und ihren Kindern.

Alleinerziehende stehen immer vor der Herausforderung, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Kommen dann noch Früh- und Spätschichten mit variierenden Arbeitszeiten hinzu, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Vollzeit kaum möglich. Das heißt: Alleinerziehende müssen beruflich häufig zurückstecken, falls sie keine Lösung für die Betreuung ihrer Kinder organisieren können. Damit verbunden ist nicht nur ein höheres Armutsrisiko für die Mutter/den Vater und die Kinder, auch gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten können stark eingeschränkt sein. Für Alleinerziehende, die im Schichtdienst arbeiten, gerade in Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufen ist es aufgrund ihrer wechselnden Arbeitszeiten eine große Herausforderung eine passende Kinderbetreuung zu finden. Der Ausbau flexibler Kinderbetreuungsangebote mit erweiterten Öffnungszeiten verläuft in Deutschland schleppend, bei zugleich größer werdendem Bedarf seitens der Familien. In einer ähnlichen Lage befinden sich auch alleinerziehende Tagesmütter und -väter. Denn sie kennen ebenfalls die Probleme der finanziellen Unsicherheit und mangelnder Teilhabechancen.

Genau hier setzt das EU-Projekt home and care der Stadt Landshut an. In Kooperation mit acht weiteren lokalen Partnern, darunter der Hochschule Landshut, soll ein besonderes Kinderbetreuungsangebot für Ein-Eltern-Familien in Heil- und Pflegeberufen sowie alleinerziehenden Tagesmüttern geschaffen werden. Das Projekt wird von der UIA – Urban Innovative Actions im Bereich Urban Poverty (städtische Armut) mit knapp fünf Millionen Euro gefördert und ist das erste deutsche Städteprojekt überhaupt, das durch die UIA unterstützt wird.

Prof. Dr. Katrin Liel von der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Landshut begleitet mit ihrem Team das Projekt home and care wissenschaftlich
Foto: Hochschule Landshut

Armutsprävention für Ein-Eltern Familien und deren Kinder

Ein-Eltern-Familien leisten Besonderes. Neben der Betreuung der eigenen Kinder stehen sie den Herausforderungen der Berufswelt gegenüber. „Zur Prävention von Kinderarmut und zur Prävention von Altersarmut in Folge langjähriger Teilzeitbeschäftigung müssen gesellschaftliche Anstrengungen unternommen werden um die Teilhabechancen dieser Bevölkerungsgruppen zu verwirklichen“, erklärt Prof. Dr. Katrin Liel vom Institut Sozialer Wandel und Kohäsionsforschung (IKON), Projektverantwortliche für home and care an der Hochschule Landshut. Während die Zahl der Alleinerziehenden in Deutschland und Europa kontinuierlich steigt, herrscht gleichzeitig in vielen Heil- und Pflegeberufen ein eklatanter und sich verschärfender Personalmangel. Dieser Personalmangel rührt unter anderem auch daher, dass die Rahmenbedingungen dieses wichtigen Berufsfelds nicht attraktiv genug sind. Neben einer geringen Entlohnung und damit verbunden oft fehlender gesellschaftlicher Anerkennung sind insbesondere die Schicht- und Wochenenddienste für Menschen mit Care-Verantwortung eine Hürde. Diesen Kreislauf wollen die acht Kooperationspartner (Stadt Landshut, Hochschule Landshut, ZAK e.V. Landshut, ZAK-Kinderstiftung, Fachakademie für Sozialpädagogik der Schulstiftung Seligenthal, Hl. Geistspitalstiftung, Klinikum Landshut, LAKUMED Kliniken Landshut-Achdorf) in Landshut durchbrechen.

Verbesserung der Lebensumstände

Unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz vernetzen und optimieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Das Projekt home and care hat es sich zum Ziel gesetzt, die Herausforderungen für Alleinerziehende in Heil- und Pflegeberufen zu reduzieren. Dazu haben die Partner auf Initiative von ZAK .V. Landshut und der ZAK Kinderstiftung eine neue Form der flexiblen Kinderbetreuung entwickelt, die den alleinerziehenden Eltern die Möglichkeit einer Arbeitsstelle oder einer Ausbildung in Heil- und Pflegeberufen bietet und zugleich die Bedürfnisse der Kinder an vorderste Stelle stellt. Mit dem Bau einer Wohnanlage in der Marienburger Straße in Landshut schafft das Projekt konkret einen Ort, an dem sowohl Beschäftigte aus Heil- und Pflegeberufen als auch alleinerziehende Tagesmütter zukünftig „Tür an Tür“ wohnen werden. Die dort lebenden Kinder können so flexibel und wohnortnah professionell betreut werden, insbesondere in den Randzeiten frühmorgens, spätabends und am Wochenende. Für die Kinder eröffnen sich damit stabile und gleichzeitig äußerst flexible Betreuungsstrukturen und für die Eltern die Möglichkeit, ihrem Beruf nach zu gehen. Das führt nicht nur zu einer besseren finanziellen Absicherung, sondern auch insgesamt zu neuen Perspektiven für die Familien. „Die dadurch mögliche Integration auf dem Arbeitsmarkt und Verbesserung der Lebensqualität gibt Alleinerziehenden und Kindern Sicherheit und damit Bildungs- und Zukunftschancen“, erläutert Liel das Konzept.

In regelmäßigen Abständen treffen sich die sieben Projektpartner zu Workshops und interaktivem Austausch – pandemiebedingt weiterhin nur virtuell. Foto: Hochschule Landshut

Wissenschaftliche Unterstützung

Ziel des innovativen und einzigartigen Projekts ist dabei, Ein-Eltern-Familien nachhaltig zu unterstützen. Der Forschungsschwerpunkt IKON an der Hochschule Landshut beschäftigt sich schon lange intensiv mit Themen wie sozialer Ungleichheit, Migration oder Veränderungen in Familie und Beruf. „In diesem Projekt widmen wir uns konkret den Themen der Armutsprävention und der flexibilisierten Kinderbetreuung für Alleinerziehende in Landshut. Die Aufgabe der Hochschule ist dabei unter anderem die kontinuierliche prozessbegleitende Evaluation, bei der alle Projektpartner partizipativ mit einbezogen werden“, so Liel. Parallel dazu konzipiert und leitet die Hochschule auf die Projektpartner zugeschnittene Workshops mit wissenschaftlichen Impulsen und Diskussionen zur Projektumsetzung. Um den Projekterfolg nachhaltig zu dokumentieren, werden gegen Ende der Projektlaufzeit die neuen Bewohner und Bewohnerinnen der Wohnanlage interviewt und die Ergebnisse mit sozialwissenschaftlichen Methoden ausgewertet.

Ein Zukunftsprojekt für alle

Das Projekt home and care wird die aktuelle Situation für alle Beteiligten in Landshut verbessern: Alleinerziehende in Heil- und Pflegeberufen bekommen die Chance, ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder langfristig selbstständig bestreiten zu können. Potenzielle Arbeitgeber, wie Kliniken, Sozialstationen oder Pflegeheime profitieren davon, unbesetzte Stellen aufgrund des Fachkräftemangels besetzen zu können. Tagesmütter erhalten die Möglichkeit, sich in flexiblen Betreuungskonzepten weiter- oder ausbilden zu lassen. „Weiterhin liegt aber das Hauptaugenmerk auf dem Wohlergehen der Kinder, deren gesellschaftlichen Teilhabechancen verbessert und die in einer sicheren Umgebung mit guten Zukunftsperspektivenheranwachsen sollen“, betont Liel abschließend.

Der Startschuss für das einzigartige Wohnprojekt ist gefallen. Die neue Wohnanlage für Alleinerziehende wird in der Marienburger Straße erbaut werden.
Foto: Hochschule Landshut

Über home and care

Das Projekt home and care läuft bis 31.07.2023. Projektleiterin an der Hochschule Landshut ist Prof. Dr. Katrin Liel, Fakultät Soziale Arbeit, wissenschaftliche Mitarbeiterin ist Anja Wiest. Die Gesamtprojektleitung obliegt der Stadt Landshut unter Leitung von Dr. Matthias Kurbel, Sozialreferent der Stadt. Weitere Partner sind die Fachakademie für Sozialpädagogik der Schulstiftung Seligenthal, die der ZAK e.V. Landshut mit der ZAK Kinderstiftung, die Hl. Geistspitalstiftung, das Klinikum Landshut und die LAKUMED Klinik Landshut-Achdorf. Die Gesamtprojektsumme beträgt rund 6,23 Millionen Euro. Davon fördert der Europäische Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen seines Programms UIA – Urban Innovative Action rund 4,98 Millionen Euro. Die acht Projektpartner steuern dabei zusätzlich noch rund 1,25 Millionen Euro aus Eigenmitteln bei.

Interessierte Alleinerziehende in Heil- und Pflegeberufen, aber auch alleinerziehende Tagesmütter, die an diesem Wohnprojekt mitmachen wollen, dürfen gerne Kontakt aufnehmen: homeandcare(at)landshut.de oder info(at)zak-landshut.de

Projektpartner      Stadt Landshut
Hochschule Landshut
Fachakademie für Sozialpädagogik der Schulstiftung Seligenthal
ZAK e.V. Landshut und ZAK-Kinderstiftung
Hl. Geistspitalstiftung
Klinikum Landshut
LAKUMED Kliniken Landshut-Achdorf, Vilsbiburg, Rottenburg  
Gesamtprojektleitung: Projektverantwortliche Hochschule LandshutStadt Landshut, Sozialreferat Prof. Dr. Katrin Liel
 
Laufzeit des Projekts:       08/2019-12/2024
 
Gesamtförderung

Förderung Hochschule
Förderung andere Partner
Eigenmittel aller Projektpartner
Eigenmittel Hochschule Landshut  
4.983.198,20 Euro

223.401,44 Euro
4.759.796,76 Euro
rund 1,25 Mio. Euro
55.850,36 Euro
Gesamtprojektsumme:  Ca. 6,23 Millionen Euro
FinanzierungEuropäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)  
Programm:         UIA – Urban Innovative Actions / Urban Poverty

Über die Hochschule Landshut:

Die Hochschule Landshut steht für exzellente Lehre, Weiterbildung und angewandte Forschung. Die sechs Fakultäten Betriebswirtschaft, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen, Informatik, Interdisziplinäre Studien, Maschinenbau und Soziale Arbeit bieten über 50 Studiengänge an. Das Angebot ist klar auf aktuelle und künftige Anforderungen des Arbeitsmarktes ausgerichtet. Die rund 4.600 Studierenden profitieren vom Praxisbezug der Lehre, der individuellen Betreuung und der modernen technischen Ausstattung. Für Forschungseinrichtungen und Unternehmen bietet die Hochschule eine breite Palette an Projektthemen, die von wissenschaftlichen Fachkräften mit bestem Know-how betreut und umgesetzt werden. Über 120 Professorinnen und Professoren nehmen Aufgaben in Lehre und Forschung wahr.


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