Superlative – Kooperation mit der University of Nigeria

Das bevölkerungsreichste Land Afrikas, die größte afrikanische Volkswirtschaft, 514 Sprachen und Idiome, eine Universität so groß wie eine Stadt – Nigeria hat viel zu bieten. Mittlerweile auch eine Partnerschaft mit der Hochschule Landshut.

Ein „Abandoned Project“ auf dem riesigen Geländer der University of Nigeria Nsukka dient ab und zu als Seminarraum- immerhin braucht es hier kein Licht, was bei häufigen Stromausfällen von Vorteil ist.

Zu oft wird der Kontinent Afrika vernachlässigt. Dies beginnt schon beim Wording, immer wieder wird von ihm als „einem Land“ gesprochen. Auch die Mercator-Projektion unserer Welt, die uns geläufige Weltkarte, macht Afrika klein: Sie gibt zwar die richtigen Formen wieder, nicht aber die adäquaten Größenverhältnisse und so wirkt Europa unverhältnismäßig groß, Afrika – nahe am Äquator – hingegen viel zu klein. Afrika Aufmerksamkeit schenken, das war ein Plan an der Hochschule Landshut, der mit dem Beginn des Studiengangs „Neue Medien und interkulturelle Kommunikation“ besonders relevant wurde. Ein Studiengang, der so viel Gewicht auf das Interkulturelle legt, sollte auch Afrika berücksichtigen.

Herausforderung Visum

Zufällig ergab sich über die Plattform LinkedIn ein Kontakt zur University of Nigeria Nsukka und so ging es für Studiengangsleiterin Maja Jerrentrup alsbald nach Nigeria, um ihren Kollegen Professor Nnanna Ndubuisi zu besuchen. Einen Superlativ gibt es allerdings auch für die umfangreichsten Visumsanforderungen: Hierzu zählten Gehaltabrechnungen, Kontoauszüge, Einladungsbriefe, Unterkunftsbestätigung, fest gebuchte Flugtickets, persönliches Erscheinen in der Visumsvertretung Frankfurt und mehr. Nach der Hürde „Visum“ eröffnete sich Jerrentrup zunächst ein winziger Flughafen in der nigerianischen Stadt Enugu und nach einer Stunde Fahrt ein riesiger Campus.

Von Agriculture to Veterinary Medicine

Weit verstreut findet man auf dem Campus der University of Nigeria Nsukka fast jedes denkbare Department, von Medical Sciences über Ingenieurswissenschaft und BWL bis hin zu bildender Kunst. In Afrika genießt die Universität mit ihren 82 undergraduate und 211 postgraduate programs und ca. 50 000 Studierenden einen sehr guten Ruf. Alleine für „Neue Medien und interkulturelle Kommunikation“ sind mehrere Fächer an der University of Nigeria Nsukka interessant, darunter Fine Arts, Theater and Film Studies, Mass Communication – mit einem Freilichttheater und mehreren Werkstätten. Zwischen den Gebäuden sieht man allerdings auch immer wieder Bauruinen, sogenannte „Abandoned Projects“, die auf ein gewisses Missmanagement schließen lassen. Zum Teil dienen sie als Seminarräume – immerhin erhalten sie auch bei Stromausfall Tageslicht und bieten angenehme Lüftung.

Die Umgebung der University of Nigeria Nsukka ist ländlich geprägt; Ausländer sieht man fast nie, dafür viele neugierige Kinder.

Arbeit unter besonderen Bedingungen

Was erwartet Studierende, Lehrende oder Forschende vor Ort? Für die Bedingungen gibt es ebenfalls einen Superlativ: Besonders schwierig. Heißes Klima und Stromausfälle prägen den Alltag und die Arbeit. Stromausfälle sind die Regel, nicht die Ausnahme, noch verstärkt durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbunden Stromlieferungsprobleme. Zudem wird die Universität seit langem bestreikt und die Professor*innen, die für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, beziehen vorerst kein Gehalt.

Armut

Armut ist in Nigeria allgegenwärtig: 53,5 % der Bevölkerung lebt in absoluter Armut gemäß Weltbankstandard. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen zum Teil bis zur Versklavung im ottomanischen Reich zurück, selbstverständlich auch in die Kolonialzeit, die nicht nur Ausbeutung mit sich brachte, sondern auch Grenzziehungen, bei denen die Territorien ethnischer Gruppen keine Berücksichtigung fanden, ökonomische Isolation, geringe Bildung und fehlende Erfahrung von Afrikanern in Führungspositionen. Ungünstige klimatische Bedingungen und Krankheiten beschleunigen den Teufelskreis: Es fehlt Geld, es wird nicht investiert, es fehlt noch mehr Geld.

Vielleicht mag erstaunen, dass auch das afrikanische Christentum als bedenklicher Einfluss gelten kann: Mit seiner Betonung auf Opfer und Märtyrertum begünstigt es eine fatalistische Haltung. Dass Jesus stets mit hellbraunen Haaren, heller Haut und „westlichen“ Gesichtszügen dargestellt wird, kann dem Priester Walter Mwambazi zufolge eine besondere Distanz zur Selbstwahrnehmung mit sich bringen. Schließlich destabilisieren auch Anschläge von muslimischen Terroristen das Land, das in einen christlichen Süden und einen muslimischen Norden geteilt werden kann.

Auf dem Gelände der Hochschule finden sich viele kleine Büdchen, die Studierenden und Mitarbeitern ihre Services anbieten.

Trotz dieser Problematiken erlebt man vor Ort sehr agile Dozenten und Studierende. In den medienaffinen Departments beispielsweise wird im großen Ausmaß publiziert, die Dozenten führen Kunstprojekte durch und stellen ihre Arbeiten auf dem Campus und anderorts aus. Professor*innen haben eigene Werkstätten – von Fotoateliers bis zu Schreib- und Bildhauereiwerkstätten – und beschäftigen sich in ihrer Arbeit vor allem mit Postkolonialität und kultureller Identität. Hier setzt auch ein erstes Forschungsprojekt zwischen Landshut und Nsukka an und lenkt den Blick auf die Selbstpräsentation im sozialen Netzwerk Instagram.

Die Töpferei gehört zur Hochschule – Studierende gestalten hier auch traditionell nigerianische Kunst.
Die Dozenten der University of Nigeria Nsukka sind sehr belesen und veröffentlichungsstark. Mehrere haben Goethe-Stipendien erhalten.

Weitere Artikel aus Gesellschaft

Gesellschaft

The language is the message

Kultur- und Sprachenkampf in der Ukraine Interviews an der Hochschule Landshut mit zwei aus der Ukraine geflüchteten Frauen: Viktoriia Mykhailiuk-Vrachynska und Olena Oleksiivna Oleksenko Sprachverwandtschaft Ähnlich wie bei den romanischen Sprachen, wo beispielsweise das Französische und Spanische aus dem Lateinischen hervorgegangen sind, so verhält es sich auch beim Ukrainischen und Russischen: Sie gehören beide der […]
kompletten Beitrag lesen
Digitalisierung Gesellschaft

5 Minuten fürs Klima

5 Minuten klingt überschaubar – das könnte man doch ab und zu fürs Klima aufbringen? Diese Idee hatte Prof. Dr. Markus Schmitt von der Hochschule Landshut, auch wenn sein gleichnamiges Projekt deutlich umfangreicher wurde. 5 Minuten fürs Klima – die Kanalinfo auf Youtube. Markus Schmitt lehrt „Management und Nachhaltige Entwicklung§ an der Hochschule Landshut. Anfang […]
kompletten Beitrag lesen
Gesellschaft Technik Wirtschaft

Delegationsreise nach Mexiko: UNAM, IPN & Tec

Eine Delegation aus Bayern, an Bord auch zwei Landshuter Professor*innen, hat die Top-Universitäten in Mexico Ciudad besucht, um künftige Kooperationen in Forschung, Gestaltung und Lehre auszuloten. Drei mexikanischen Top-Universitäten waren neben weiteren Instituten und der deutschen Botschaft die Ziele der von BAYLAT organisierten Delegationsreise. BAYLAT steht für das Bayerische Hochschulzentrum für Lateinamerika, eine bayernweit tätige […]
kompletten Beitrag lesen
Gesellschaft Technik

Leadership lernen vom Profi – ein Offizier an der Hochschule

Reinhold Kohler ist nicht nur Professor für Internationales Management and Business Administration an der Hochschule Landshut, sondern auch im konzeptionellen Bereich der übergeordneten Führung der Luftwaffe tätig. In dieser Tätigkeit forscht der Wirtschaftsingenigeur zu Motivation und identifiziert Hochschulen für die Bundeswehr, an denen der künftige Führungsnachwuchs der Luftwaffe dual studieren kann – was unter anderem […]
kompletten Beitrag lesen
Gesellschaft

Mehr Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Gehörlose

An der Hochschule Landshut startet das neue Projekt „Sign Up“ zur Bewusstseinsbildung und Nachwuchsgewinnung für eine Ausbildung im Bereich Gebärdensprachdolmetschen, Übersetzen und Kommunikationshilfen für Menschen mit Hörbehinderung, einschließlich taubblinder Menschen. In Deutschland leben etwa 83 Millionen Menschen. 200.000 Menschen nutzen die Deutsche Gebärdensprache (DGS) als Kommunikationsform. Davon sind ca. 83.000 gehörlos. Sie befinden sich, in […]
kompletten Beitrag lesen
Gesellschaft Gesundheit Technik

Porträt: Prof. Dr. Bettina Williger, Psychologie mit Schwerpunkt Mensch-Technik-Interaktion

„Ingenieurspsychologie“ mag für den Laien verwunderlich klingen. Die Disziplin kombiniert zwei Wissenschaften, die doch recht unterschiedliche Gegenstandsfelder im Blick haben – hier technische Systeme, dort die menschliche Psyche. Wie das eben doch zusammenpasst, und welche spannenden Forschungsfelder sich hier auftun, erläutert Frau Prof. Dr. Bettina Williger in unserem Interview. Seit kurzem unterstützt sie Studiengangsleiterin Prof. […]
kompletten Beitrag lesen
Digitalisierung Gesellschaft

Well-Being an der Hochschule

Well-Being ist das, wonach wir alle streben. Dabei geht es nicht nur um die Abwesenheit von Krankheit, sondern um die Existenz von etwas Positiven. Well-Being gilt als so zentral, dass die WHO es sogar als eines der wichtigsten Ziele definiert hat. Allerdings ist der Begriff schwer zu fassen, denn Well-Being gestaltet sich für jeden Menschen […]
kompletten Beitrag lesen
Gesellschaft Kunst Technik

Von Licht, Motoren und Kunst

Prof. Dr. Kleimaier von der Hochschule Landshut beschäftigt sich in seinen Kunstwerken mit dem Zusammenspiel von Mensch und Natur und der Zukunft, in der wir leben wollen.
kompletten Beitrag lesen
Digitalisierung Gesellschaft

Schutz für Pflegekinder

In Deutschland gibt es über 70.000 Pflegekinder – Tendenz steigend. Kinder und Jugendliche leben in Pflegefamilien, weil die biologischen Eltern beispielsweise mit der Erziehung überfordert oder krank sind. Pflegeeltern zu sein ist kein Beruf, sondern idealerweise eine Berufung: Menschen nehmen Kinder und Jugendliche aus sozialem Engagement heraus auf und erhalten hierfür eine Aufwandspauschale. Allerdings wollen […]
kompletten Beitrag lesen